Geschäftsbericht der Lindenhofgruppe 2022

Geschäftsbericht 2022 VERANTWORTUNG

Verantwortung. Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe

3 Inhalt 4 Verantwortung als Wegbereiter 5 Kennzahlen 6 Vorwort Verwaltungsratspräsident und CEO 14 Vorwort Verein Ärztekollegium 19 Radio-Onkologie: «Innovative Strahlentherapien» 25 Integrierte Versorgung: «Bestmögliche Patientenbetreuung» 33 Modernisierungsbau Sonnenhofspital: «Grosser Gewinn für die Bevölkerung» 39 Baby & Familie: «Eine rasante Entwicklung» 46 Statement zu verantwortungsvollem Betten-Management: «Nur gute Kommunikation fördert eine hohe Bettenbelegung.» 48 Mutationen Ärztekollegium 50 Geschäftsbericht 2022 52 Corporate Governance 56 Bilanz per 31. Dezember 2022 58 Erfolgsrechnung 2022 59 Anhang der Jahresrechnung 2022 68 Revisionsbericht 72 Statistiken 78 Lehre und Forschung 78 Weiterbildungskliniken 79 Forschung: Laufende Studienaktivitäten 93 Ausgewählte Publikationen Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Inhalt

«Verantwortung als Wegbereiter.» Verantwortung hat viele Gesichter. Besonders in der Lindenhofgruppe. Ist sie doch ein zentraler Begriff im Umgang mit Patientinnen und Patienten und beim Miteinander. Aber auch im wirtschaftlichen Sinne. Denn der Einsatz von Ressourcen und das Gestalten betrieblicher Abläufe verlangen ein ebenso hohes Mass an Verantwortung und Weitblick. Dass wir das Wohl des Menschen ins Zentrum unseres Denkens und Handelns stellen, ist deshalb weit mehr als nur ein Motto. Es ist das zentrale Momentum, das uns bewegt und antreibt, immer einen Schritt weiter-­ zugehen. Sei es in der medizinischen Betreuung oder bei der Pflege von Patientinnen und Patienten. Sei es in der Zusammenarbeit oder auch in der Forschung. Immer ist das Ziel, herausragende medizinische und pflegerische Qualität zu erbringen. Jetzt und in Zukunft. Unsere von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Onkologie- und Organzentren und der Erfolg der Orthopädie am Sonnenhofspital sind nur einige Beispiele für dieses Engagement. Ein Engagement, das dazu beiträgt, Vertrauen zu gewinnen – das unserer Patientinnen und Patienten, das unserer Mitarbeitenden und aller Menschen, die mit uns zusammenarbeiten. Wir handeln verantwortungsvoll – bei allem, was wir tun. 4 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe

Kennzahlen 2022 2021 Finanzen Gesamtumsatz in TCHF 431’735 426’522 Ergebnis vor Abschreibungen, Mietkosten, Finanzergebnis, Fondsergebnis und Steuern (EBITDAR) in TCHF 19’480 26’221 EBITDAR-Marge in % 4.5 % 6.2 % Ergebnis vor Finanzergebnis, Fondsergebnis und Steuern (EBIT) in TCHF –7’129 4’928 Jahresergebnis in TCHF –6’259 5’631 Investitionen Sachanlagen in TCHF 17’068 25’860 Bilanzsumme in TCHF 260’919 263’406 Eigenkapital in TCHF 75’834 82’093 Patientinnen und Patienten Stationär (nach SwissDRG) Anzahl 27’029 26’893 Tagesstationär Anzahl 4’380 3’872 Ambulant Anzahl 123’042 109’700 Total Patientinnen und Patienten Anzahl 154’451 140’465 Case Mix Index CMI 1.049 1.051 Pflegetage akut stationär (ohne Säuglinge) Tage 105’890 107’698 Durchschnittliche Aufenthaltsdauer akut stationär Tage 4.2 4.3 Personal Anzahl Mitarbeitende FTE 1’615 1’606 Anzahl Auszubildende Personen 178 174 Anzahl Belegärztinnen und Belegärzte** Personen 346 328 Infrastruktur Betten (ohne Betten Intensivstation) Anzahl 340 354 Notfallzentren * Anzahl 2 2 Operationssäle Anzahl 19 19 * Seit 1. Juli 2020: Notfall Sonnenhof in Kooperation mit City Notfall AG ** Anzahl Belegärztinnen, -ärzte und bei Belegärztinnen und -ärzten angestellte Spital-Fachärzte und -ärztinnen, die ein Honorar erhalten haben 5 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Kennzahlen

Rang acht. Auch, dass wir aufgrund des Fachkräftemangels weniger Betten als unsere Mitbewerbenden im unmittelbaren Umfeld schliessen mussten, ist eine Bestätigung. Hat die Lindenhofgruppe ihre Attraktivität als Arbeitgeberin weiter steigern können? Guido Speck: Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen aus dem Markt erhalten. Wir sind interaktiver unterwegs und näher an den Zielgruppen. Auch aufgrund unseres kulturellen Engagements. Es ermöglicht den direkten Dialog und fördert das Image. Das Massnahmen-Paket für die Pflege der Lindenhofgruppe war ebenso ein starkes Zeichen. Für unsere Mitarbeitenden wie auch für den Markt. Ich bin froh, dass die Geschäftsleitung den Verwaltungsrat hinter sich weiss. Beat Röthlisberger: Ein Meilenstein in der Spitalbranche: Wir haben gehandelt, Verantwortung übernommen und gegenüber der Politik ein Zeichen gesetzt. Wichtig war uns dabei, dass unsere bestehenden Mitarbeitenden in den Genuss von Vorzügen kommen. Rekrutierung ist das eine, bestehende Fachpersonen zu halten, das andere. Das ist für uns ein wichtiger Fokus. «Wir haben das Miteinander als gelebte Strategie verinnerlicht.» Wir sind auf dem geplanten Weg in die Zukunft. Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie bleibt das Umfeld dynamisch und beschert der Lindenhofgruppe ein weiteres Jahr voller Herausforderungen. Inflation, massiv gestiegene Energiekosten und sinkende Margen: äusserliche Faktoren prägen weiterhin den Gesundheitsmarkt. Auch der Fachkräftemangel beeinflusst die finanzielle Entwicklung unmittelbar. Ein Gespräch mit Beat Röthlisberger, seit Juni 2022 Präsident des Verwaltungsrates der Lindenhofgruppe, und CEO Guido Speck. Wie hat sich die Lindenhofgruppe im Jahr 2022 entwickelt? Guido Speck: Es bleibt anspruchsvoll. Dennoch konnte sich die Lindenhofgruppe weiterentwickeln und Zeichen setzen. Mit ihren strategischen Zielen und auch mit ihrer Reaktion auf den Mangel an Fachpersonen in Gesundheitsberufen. Ein grosser Erfolg war auch die Fertigstellung des Modernisierungsbaus am Sonnenhofspital. Es war das grösste Bauprojekt der Lindenhofgruppe und hat mich über meine ganze Zeit als CEO der Lindenhofgruppe begleitet. Ende 2022 haben wir es abgeschlossen. Ein wichtiger Schritt für die künftige Entwicklung dieser Klinik und ihrer Spezialisierung auf Erkrankungen am Bewegungsapparat. Kurz: Wir sind auf dem geplanten Weg in die Zukunft. Beat Röthlisberger: Aus der Perspektive des Verwaltungsrates kann ich dies nur bestätigen. Die strategisch wichtigen Bereiche haben sich gut entwickelt. Parallel haben wir Optimierungen der gruppenweiten Prozess-Landschaft vorangetrieben. Bei meinem Amtsantritt als Präsident des Verwaltungsrates der Lindenhofgruppe, im Juni 2022, konnte ich die Entwicklung des Massnahmenpakets für die Pflege der Spitalgruppe unterstützen. Das war eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft unserer Fachpersonen und für die Rekrutierung. Dieses Paket untermauert auch die Kultur des gelebten Miteinanders in der Lindenhofgruppe. Es zeigt, dass wir diese Strategie bis in die Führung leben. Die Symbiose von Image und Kultur ermöglicht wichtige Erfolge. Sie schaffen die Grundlagen dafür, dass unsere Mitarbeitenden auch im Jahr 2022 sehr gut gearbeitet haben. Das beweist unser Ranking bei den World’s Best Hospitals: schweizweit liegen wir aktuell auf 6 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verwaltungsratspräsident und CEO

Beat Röthlisberger, Verwaltungsratspräsident, und Guido Speck, CEO Lindenhofgruppe Beat Röthlisberger: Die Lindenhofgruppe hat einen guten Ruf. Wir sind auf dem Platz Bern seit über 100 Jahren bekannt und beliebt. Das belegt auch die hohe Zufriedenheit unserer Patientinnen und Patienten. In Kombination mit unserem wichtigen kulturellen Fundament darf ich sagen: Wir haben das Miteinander als gelebte Strategie verinnerlicht. Wir gehen aufeinander zu. Wir denken und handeln lösungsorientiert und für das Wohl unserer Patientinnen und Patienten. Ein solch solides Fundament entsteht nicht über Nacht. Man muss es sich über Jahre hinweg erarbeiten. Hat das Massnahmenpaket in der Pflege die gewünschte Wirkung entfaltet? Guido Speck: Für eine qualitative Aussage ist es noch zu früh. Die Massnahmen gelten seit September 2022. Ein weiteres Paket greift ab April 2023. Das ist ein kurzer Zeitraum. Der Markt hat das Paket wahrgenommen und positiv reagiert. Einige Teile haben auch andere Spitäler übernommen. Das zeigt deutlich, wie unsere Massnahmen einzustufen sind. Welche Massnahmen haben Ihres Ermessens dazu beigetragen? Guido Speck: Unsere Massnahmen sind sehr facettenreich. Das Massnahmenpaket für die Pflege ist nur ein Teil davon, wenn auch ein wesentlicher. Unser Engagement beim Zermatt Unplugged hat uns weit über die Grenzen des Kantons hinaus bekannt gemacht. Wir haben viele interessante Gespräche geführt und letztlich auch erfolgreich rekrutiert. Auch das Gurten-Festival in Bern zu nutzen, lag nahe. Wir sind in Bern verwurzelt und möchten auch hier präsent sein. In unserer Projektgruppe «Miteinander für uns» bündeln wir viele Ideen. In dieser Gruppe sind Mitarbeitende aus vielen Fachbereichen und Hierarchiestufen vertreten. Der gemeinsame Austausch forciert neue Ideen und Ansätze. Auch in der Personal-Marketing-Kampagne der Lindenhofgruppe sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stark involviert. Sie wirken als authentische Botschafterinnen und Botschafter für das Unternehmen. 7 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verwaltungsratspräsident und CEO

Die Lindenhofgruppe positioniert sich seit Jahren als attraktive Arbeitgeberin. Um interessant zu bleiben, müssen wir uns ständig weiterentwickeln. Das haben wir gemacht. Zahlreiche Benefits, modernste Geräte und qualifizierte Mitarbeitende sind keine taktische Massnahme gegen den Fachkräftemangel. Sie sind in unserer Kultur und in unserer Strategie verwurzelt. Nur kommunizieren wir sie unter den heutigen Umständen konsequenter und mit einer anderen Wahrnehmung im Markt. Beat Röthlisberger: Ich sehe das Massnahmenpaket als Start in eine gute Richtung. Aber die Lindenhofgruppe kann diese Aufgabe nicht im Alleingang lösen. Wir benötigen politische Unterstützung. Wir müssen den Mangel an Fachpersonen als langfristiges Engagement betrachten. Auch deshalb bin ich froh, dass die Lindenhofgruppe auf einer langjährigen und erfolgreichen Geschichte aufbauen kann. Unsere Werte sind organisch gewachsen. Sie haben Kraft und Bedeutung. Sie ziehen Interessierte, die ähnlich denken und handeln, automatisch an. Wie gesagt, das Massnahmenpaket war ein wichtiges Zeichen. Aber es löst nicht alle offenen Themen in Bezug auf fehlende qualifizierte Fachpersonen. Wie trägt der Wechsel von Prof. Dr. Dr. med. Martin Müller dazu bei? Guido Speck: Zunächst möchte ich betonen, dass ich mich ausserordentlich freue, dass wir Herrn Prof. Dr. Dr. med. Müller für das Frauenzentrum Bern gewinnen konnten. Gemäss seinen Rückmeldungen freuen sich beide Seiten. Ein schöner Erfolg, wenn man hervorragende Spezialisten für Bereiche gewinnen kann, die strategische Bedeutung haben. Mit Prof. Dr. med. Ralf Rothmund und Prof. Dr. Dr. med. Martin Müller haben wir das Frauenzentrum Bern fachlich bestens aufgestellt. Der weitere Weg ist klar und man spürt die Motivation und die Aufbruchsstimmung im ganzen Team. Das zieht automatisch weitere Interessierte an, wenn Bereiche sich positiv und dynamisch entwickeln. Beat Röthlisberger: Persönlichkeiten, die über derartige Leistungsausweise verfügen und auch menschlich kompetent sind, findet man eher selten. Es freut mich auf der fachlichen Seite, dass wir Herrn Professor Dr. Dr. med. Müller gewinnen konnten. Ich sehe aber auch die imagefördernden Aspekte für das Frauenzentrum Bern. Das wirkt auf jeden Fall positiv auf jene ein, die sich für die Lindenhofgruppe oder das Frauenzentrum Bern interessieren. In erster Linie ist es aber wichtig, dass wir eine qualitativ hochwertige Frauenmedizin für die Stadt und die Region Bern sicherstellen. «Die Informationen von Patientinnen und Patienten sollen für Behandelnde und Pflegende jederzeit verfügbar sein.» Hat die Lindenhofgruppe Fortschritte bei der Digitalisierung machen können? Guido Speck: Ja, wir haben gute Fortschritte erzielt und konnten unsere Ausgangslage weiter verbessern. Ein Meilenstein der unternehmerischen Weiterentwicklung ist, nebst unserer erst jüngst durch den Verwaltungsrat verabschiedeten Digitalisierungsstrategie, unser Digital-Hub. Seine Aufgabe liegt in der kontrollierten Umsetzung strategisch-digitaler Projekte. Es folgt der digitalen Roadmap – über die gesamte Gruppe. Das Team des Digital-Hubs setzt sich dafür ein, dass wir unsere App für Patientinnen und Patienten umsetzen konnten. Sie ist der e-Check-In für alle stationären Eintritte. Auch die digitale Termin-Disposition ist für das Frauen- zentrum Bern ausgerollt. Weitere Fachbereiche werden folgen. 8 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verwaltungsratspräsident und CEO

Wir haben einander geholfen, gemeinsam Lösungen gefunden und zusammen durchgehalten. Heute freuen wir uns gemeinsam über den Erfolg des Projekts. Beat Röthlisberger: Der grosse Teil des Modernisierungsbaus entstand vor meiner Zeit als Präsident des Verwaltungsrates. Natürlich hat das in der Branche viel bewegt. Heute erhalte ich viele positive Rückmeldungen und Glückwünsche – das ist grossartig. Dementsprechend freut es mich, dass wir es erfolgreich abschliessen konnten. Dass es sich in der Praxis so bewährt, wie wir es uns gewünscht haben. Mein grosser Dank gilt allen in dieses Projekt Involvierten – und natürlich der Geschäftsleitung für diese hochwertige Ausdauerleistung. «Die Strahlkraft und das Renommee steigern die Attraktivität der gesamten Spitalgruppe.» Welche Auswirkungen hat das Bauprojekt auf das Profil der Lindenhofgruppe? Guido Speck: Die Lindenhofgruppe folgt seit Jahren einer klaren Strategie: Wir fokussieren uns auf unsere Stärken. Eine dieser Stärken ist die Orthopädie. Wir möchten sie weiter auf- und ausbauen. Da die Orthopädie eng mit dem Sonnenhofspital vernetzt ist, war es ein logischer Schritt, das Sonnenhofspital zu einer 100%igen orthopädischen Fachklinik weiterzuentwickeln. Das Bauprojekt hat die medizintechnischen und pflegerischen Neuerungen zusammengeführt. Das Ergebnis ist die modernste und innovativste orthopädische Fachklinik der Stadt und der Region Bern. Beat Röthlisberger: Die Strahlkraft und das Renommee steigern die Attraktivität der gesamten Spitalgruppe. Ein Vorteil, besonders in der heutigen Zeit. Diese strategische Ausrichtung und das Bauprojekt waren sehr wichtig für die weitere Entwicklung der Orthopädie wie auch für die künftigen Möglichkeiten des Standorts Sonnenhof. Themen wie das Patienten-Terminal oder die VideoSprechstunde markieren die nächsten Schritte unserer digitalen Entwicklung. Sie unterstützen effiziente Abläufe und fördern die Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Darüber hinaus haben wir unsere Stationszimmer mit digitalen Boards ausgerüstet. Sie liefern den Pflegenden die wichtigsten Daten zu unseren Patientinnen und Patienten – in Echtzeit. Für die Zukunft sehe ich zudem eine immer stärkere, digitale Vernetzung der verschiedenen Systemlandschaften. Die Informationen von Patientinnen und Patienten sollen für Behandelnde und Pflegende jederzeit ver- fügbar sein. Über den gesamten Pfad der Behandlung. Wir erwarten auch eine höhere Effizienz von der Zuweisung bis zum Übergang in die Nachsorge. Der Informationsfluss ist lückenlos, schnell und immer verfügbar: eine grosse Erleichterung in der täglichen Zusammenarbeit. Und ein wichtiger Schritt für die hochwertige und sichere Behandlung unserer Patientinnen und Patienten. Beat Röthlisberger: Die Digitalisierung ist ein strategischer Schwerpunkt der Lindenhofgruppe. Ich bin mit den im Jahr 2022 erzielten Fortschritten sehr zufrieden. Auch, weil ich merke, dass der Geschäftsleitung die Bedeutung der Digitalisierung bewusst ist. Das meine ich nicht nur für den medizinisch-pflegerischen Alltag und den Umgang mit Patientinnen und Patienten. Mir ist sehr wichtig, dass die Digitalisierung in der Lindenhofgruppe jedoch nie zwischen der Ärzteschaft, der Pflege und unseren Patientinnen und Patienten stehen wird. Sie soll die Mitarbeitenden unterstützen und ihnen mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten verschaffen. Wir stellen den Menschen klar in den Fokus unseres Handelns und folgen unserer Strategie. Zählt auch der Modernisierungsbau des Sonnenhofspitals dazu? Guido Speck: 2012 sind die Spitäler Engeried, Lindenhof und Sonnenhof zur Lindenhofgruppe fusioniert. In dieser Zeit haben wir bereits den Modernisierungsbau des Sonnenhofspitals beschlossen. Es ist das wichtigste und auch das grösste Bauprojekt der Geschichte der Lindenhofgruppe. Es macht mich stolz, dass wir es immer fokussiert vorangetrieben haben. Personellen Veränderungen, äusseren Einflüssen und Corona zum Trotz konnten wir das Projekt planmässig im Dezember 2022 abschliessen. Der Weg dahin war lang und spannend. Wir haben viele Herausforderungen gemeistert. Auch hier hat das starke Miteinander der Lindenhofgruppe seine positive Wirkung entfaltet. 9 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verwaltungsratspräsident und CEO

Wie hat sich die Dynamik in der Spitalbranche im letzten Jahr auf die Lindenhofgruppe ausgewirkt? Guido Speck: Auch im Jahr 2022 mussten wir Regulierungen auf verschiedensten Ebenen von Kanton und Bund hinnehmen. Sie hatten erhebliche Auswirkungen auf die Lindenhofgruppe. Insbesondere bei den Netzwerken zur koordinierten Versorgung, der ärztlichen Zulassungssteuerung oder der bereinigten Version. Hier ist zumindest aus einem Kostensteuerungs- ein Kostenmonitoring-Artikel geworden. Bei diesem indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative hat man die Kostenziel-Bestimmungen übernommen. Damit ist zumindest das Globalbudget vom Tisch. Die Lindenhofgruppe folgt einer klaren Behandlungslogik: ambulant vor stationär. Dies hat dazu geführt, dass wir uns schon seit einigen Jahren erfolgreich am ambulanten Markt positionieren. Eines der zentralen Themen für den nachhaltigen Erfolg wird die korrekte Ausgestaltung der ambulanten Tarifwerke sein. Also ambulante Pauschalen und der Einzelleistungstarif TarDoc. Im spitalambulanten Bereich unter Tarmed und den geltenden Taxpunktwerten besteht eine Kostenunterdeckung von rund 30 %. Das wissen wir heute. Im Bereich der stationären OKP-Tarife liegt die Unterdeckung bei etwa 10 %. Die Spitalbranche unterliegt der Dynamik des Marktes und globaler Einflüsse. Wir müssen viele Herausforderungen meistern: Fachkräftemangel, Lohnerhöhungen, Bettenschliessungen aufgrund fehlender Fachpersonen, Inflation. Und das sind nur einige Beispiele. Hinzu kommt der wachsende politische Druck, die Kosten zu reduzieren oder zumindest zu dämpfen. Wir investieren täglich in die Optimierung von Abläufen. Wir steigern die Effizienz und gehen bei Investitionen überlegt vor. Wir investieren in die Digitalisierung und in modernste Technologien. All das, um den Arbeitsalltag möglichst optimal zu gestalten. Die Herausforderungen sind riesig. Nun braucht es auch die richtigen Zeichen aus der Politik und von den Tarifpartnern. Damit wir auch weiterhin eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung sichern können. Dafür setzen wir uns jeden Tag ein. Ganz im Sinne unserer Patientinnen und Patienten. Beat Röthlisberger: Die Einflussfaktoren treffen uns, aber auch alle anderen Spitäler. Die Auswirkungen sind ähnlich. Technologisierung und Digitalisierung sind dabei grosse Treiber mit vielfältigen Auswirkungen. Der Vorteil der Lindenhofgruppe ist, dass wir auf einer Geschichte, einer Kultur aufbauen können. Entscheidend ist, dass wir auch in Zukunft Hürden meistern und nicht nur Probleme sehen. Dass wir gemeinsam aus Gefahren neue Chancen erarbeiten. Wir haben die Voraussetzungen für die Fortführung der erfolgreichen Geschichte der Lindenhofgruppe. Wie steht die Lindenhofgruppe wirtschaftlich da? Guido Speck: Das Jahr 2022 war ein ausgesprochen schwieriges Jahr. Über rund acht Monate hinweg konnten wir 15 % unserer Kapazitäten aufgrund fehlender Mitarbeitender nicht betreiben. Es kam zu über 1500 stationären Notfall-Abweisungen. Die Energiekrise und die hohen Energiekosten haben uns zusätzlich massiv getroffen. Wir haben im Jahr 2022 gegenüber dem Vor- jahr rund 3.4 Mio. CHF mehr bezahlen müssen. Diese Faktoren haben uns in die roten Zahlen gedrückt. Wir haben aber früh erkannt, in welche Richtung wir uns bewegen und unverzüglich Gegenmassnahmen eingeleitet. Wir werden sie nun Schritt für Schritt umsetzen. Ihre Wirkung wird sich über die nächsten zwei bis drei Jahre entfalten. Das wird auch das Ergebnis der Lindenhofgruppe wieder positiv beeinflussen. Beat Röthlisberger: Die Entwicklungen im Jahr 2022 und deren Auswirkungen auf das Jahresergebnis waren absehbar. Die kostenseitigen Einflüsse und Zusatzbelastungen durch Inflation, massiv gestiegene Energiekosten oder auch erhöhte Lohnkosten durch Temporär-Verträge waren jedoch so nicht kalkulierbar. Deshalb ist es so wichtig, dass sich Geschäftsleitung und Verwaltungsrat zeitnah austauschen. Die Geschäftsleitung hat das Gespräch mit dem Verwaltungsrat gesucht, adäquat reagiert und Massnahmen vorgelegt. Der Verwaltungsrat ist überzeugt, dass wir die Position der Lindenhofgruppe weiter unterstreichen und stärken können. 10 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verwaltungsratspräsident und CEO

Welche weiteren Schritte sind im Hinblick auf die Integrierte Versorgung bei der Lindenhofgruppe in Planung? Guido Speck: Wir möchten als Integrierter Versorger wahrgenommen werden. Wir bieten eine umfassende interdisziplinäre Grundversorgung an. Aber auch ein Spektrum der Spezialisierten und Hochspezialisierten Medizin. Wir verfügen auch über ambulante Dienstleistungen, die wir vorwiegend über unsere Tochtergesellschaften erbringen. So bieten wir einen Teil der integrierten Versorgungskette selbstständig. Wir arbeiten mit geeigneten Kooperationspartnern zusammen, die in gewissen Disziplinen über Leuchttürme verfügen. Nennenswert sind dabei beispielsweise unser Partner Siloah im stationären altersmedizinischen Bereich oder die PET-Diagnostik AG zur Tumorlokalisation im ambulanten Bereich. Beat Röthlisberger: Das ist das Prinzip. Warum sollen wir Leistungen anbieten, in denen wir bestenfalls im Durchschnitt liegen? Hier ist es weitaus besser, die bestmögliche Qualität gemeinsam mit Partnern zu erreichen. Dieses Vorgehen ermöglicht es uns, jene Angebote weiterzuentwickeln, die zu unseren Stärken gehören. So können wir uns positionieren und dieses Profil auch kommunizieren. Gleichzeitig stärken wir unsere Partner und dienen auch dem Wohl von Patientinnen und Patienten. «Wir konnten unsere Sichtweisen und Werte immer weiter schärfen.» Wie ist die strategische Kooperation mit der mediX bern AG entstanden? Guido Speck: Die strategische Kooperation gründet auf eine Analyse der mediX bern AG. Sie wollte den Schritt in eine strategische Partnerschaft mit einem Spital wagen. Dabei kam der Lindenhofgruppe zugute, dass sie einen sehr hohen Wert auf Behandlungsqualität legt. Eine Eigenschaft, die mediX bern ebenfalls für sich in Anspruch nimmt. Ein weiterer Vorteil war die langjährige Beziehung zu Dr. med. Adrian Wirthner, dem Präsidenten des Verwaltungsrates der mediX bern AG. Das hat das gegenseitige Vertrauen von Beginn an gefördert. Die strategische Kooperation war Neuland für beide Seiten. Die Lindenhofgruppe ist die erste Spitalgruppe, die den Austausch mit den mediX-Grundversorgerpraxen sucht. Ziel ist eine bessere Kommunikation und Koordination für die Patientinnen und Patienten. Die Zusammenarbeit soll eine optimale Betreuung fördern. Eine gemeinsame Betreuungskultur aufbauen zwischen den fallführenden Ärztinnen und Ärzten der Lindenhofgruppe und den Hausärztinnen und -ärzten der mediX bern AG. Sie soll auch den Zugang zur Notfallversorgung am Lindenhof- und Sonnenhofspital vereinfachen. lnsbesondere was die Kommunikation und den Datenaustausch zwischen den Partnern betrifft. Die digitale Unterstützung hat in allen Bereichen der Zusammenarbeit hohe Relevanz. Deshalb werden wir sie weiter ausbauen. Damit stellen wir eine weitere wichtige Weiche für die Zukunft der integrierten Versorgung in der Lindenhofgruppe. Beat Röthlisberger: Es freut mich, dass wir einen Kooperationspartner auswählen konnten. Einen Partner, bei dem schon auf der persönlichen Ebene ein Austausch zu den Wertewelten der beiden Partner stattgefunden hat. So sind wir nicht bei null gestartet. Wir konnten unsere Sichtweisen und Werte immer weiter schärfen. Dies ist einer der Gründe dafür, dass die Kooperation schon zu einem so frühen Zeitpunkt gute Erfolge erzielt hat. 11 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verwaltungsratspräsident und CEO

Partnerschaftliches Miteinander. Auch in partnerschaftlichen Beziehungen und strategischen Kooperationen entfaltet das kulturell verankerte starke Miteinander der Lindenhofgruppe seine Wirkung. Es fördert die Zusammenarbeit mit externen Partnern und trägt wesentlich dazu bei, die Qualität der Behandlung von Patientinnen und Patienten fortwährend zu steigern. «Miteinander bedeutet für mich, ein gemeinsames Ziel zu haben. Um dieses Ziel erreichen zu können, trägt jede Person ihren Teil dazu bei. Gegenseitiger Respekt, Wertschätzung und Kommunikation auf Augenhöhe sind dabei die Grundlage guter zwischenmenschlicher Zusammenarbeit. In meiner Funktion als Ärztlicher Leiter von Localmed & City Notfall darf ich das im Austausch mit Patientinnen, Patienten, Mitarbeitenden und Partnern täglich erleben. Dafür bin ich sehr dankbar.» «Als Tochtergesellschaft erleben wir das Miteinander mit der Lindenhofgruppe in den verschiedensten Bereichen: beim zentralen Einkauf, in der Informatik, beim gemeinsamen Rechnungswesen, bei der Wäscheversorgung, im Marketing oder auch als Partner im Ärztenetzwerk mediX bern. Wir profitieren gegenseitig von den zahlreichen Erfahrungen und Synergien. Dies kommt sowohl unseren Patientinnen und Patienten wie auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugute.» Dr. med. Michael Hofer CMO City Notfall AG & Localmed AG Daniel Galli Vorsitzender der Geschäftsleitung City Notfall AG & Localmed AG 12 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Partnerseite

«Die Siloah AG und die Lindenhofgruppe leben die ganz- heitliche Betrachtung des Patientenpfades, indem sie das Konzept der integrierten Versorgung im Klinikalltag der Altersmedizin im Rahmen einer seit 2017 bestehenden strategischen Partnerschaft etabliert haben. Dabei weist die Lindenhofgruppe der Siloah AG – basierend auf einem gemeinsam abgestimmten Zuweisungsmanagement – Patientinnen und Patienten zwecks Nachfolgebehandlung in einem akutgeriatrischen Setting oder in einem Rehabilitations-Setting zu. Die Siloah AG ihrerseits stellt der Lindenhofgruppe ein Bettenkontingent für die Abverlegung chirurgischer Patienten und Patientinnen zur Verfügung. Zudem weist sie Notfallpatienten nach definierten Richtlinien der Lindenhofgruppe zu.» «Die Partnerschaft der Insel Gruppe und der Lindenhofgruppe im Bereich der PET-Diagnostik hat sich über viele Jahre hinweg entwickelt und dabei sehr bewährt. Hierbei stehen Patientinnen und Patienten im Vordergrund und erfahren so eine optimale und zeitnahe Diagnostik, unabhängig davon, an welchem Zentrum die Primär- bzw. Weiterbehandlung erfolgt. Dabei können wir auf einen Gerätepark zurückgreifen, der auf inter- nationalem Spitzenniveau rangiert und aufgrund der breiten Patientenströme eine effiziente Nutzung der vorhandenen Infrastruktur gewährleistet.» Prof. Dr. med. Axel Rominger Klinikdirektor und Chefarzt, Facharzt Nuklearmedizin PET Diagnostik Bern AG Martin Gafner Präsident des Verwaltungsrates Siloah AG Präsident & Delegierter des Stiftungsrates Stiftung Siloah 13 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Partnerseite

Dr. med. Meinrad Lienert, Chief Medical Officer, und Dr. med. Remo Koller, Präsident Verein Ärztekollegium 14 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verein Ärztekollegium

Herr Koller, die Initiative zur Neuauflage der Vereinbarung zwischen der Lindenhofgruppe und dem Verein Ärztekollegium ging von Ihnen aus. Was waren die Absichten der Parteien? Remo Koller: Die Fusion zur Lindenhofgruppe 2012 hat viele Veränderungen mit sich gebracht. Die Vereinbarung ist bei diesen Veränderungen etwas zu kurz gekommen. Deshalb war die Absicht, sie an die neuen Gegebenheiten anzupassen und zu neuem Leben zu erwecken. Das war der Gedanke dahinter, der eigentliche Anstoss. Meinrad Lienert: Das Ziel der Lindenhofgruppe und speziell der Geschäftsleitung war die engere Vernetzung des Vorstands des Ärztevereins und der SpitalmanagementOrganisation. Das Management und die Ärzteschaft sitzen bei vielen Themen im gleichen Boot. Mit der überarbeiteten Vereinbarung haben wir eine neue Struktur geschaffen, mit der wir besser in dieselbe Richtung rudern können als vorher. «Schon durch die Zusammen-­ arbeit an diesem Übereinkommen haben wir Vertrauen aufgebaut.» Das Miteinander spielt eine entscheidende Rolle in der Lindenhofgruppe. Die Neuauflage der Vereinbarung zwischen der Lindenhofgruppe und dem Verein Ärztekollegium bestätigt dies ein weiteres Mal. Denn sie ermöglicht es, die Zusammenarbeit zwischen den Gremien zu institutionalisieren, zu strukturieren und so personenunabhängig zu gestalten. Ein echter Mehrwert – für die Lindenhofgruppe, die Ärztinnen und Ärzte sowie für Patientinnen und Patienten. Ein Gespräch mit Dr. med. Remo Koller, Präsident des Vereins Ärztekollegium, und Dr. med. Meinrad Lienert, Chief Medical Officer der Lindenhofgruppe. Welche Zielsetzungen hat der Ärzteverein mit der Neuauflage verfolgt? Was wurde bisher erreicht, was fehlt allenfalls noch? Remo Koller: Ziel war es, die Zusammenarbeit zwischen den Gremien zu institutionalisieren, zu strukturieren und so personenunabhängig zu gestalten. Also zwischen dem Stiftungsrat, dem Verwaltungsrat, der Geschäftsleitung und dem Vorstand Verein Ärztekollegium. Die Zusammenarbeit zwischen der Lindenhofgruppe und dem Vorstand Ärzteverein muss unabhängig von Personen funktionieren. Dieser Umstand sowie der Wunsch, in den Gremien vertreten zu sein, waren der Antrieb für eine Neuauflage. Sie sollte einen Austausch auf Augenhöhe fördern und uns Gehör für die Anliegen der Ärzteschaft verschaffen. Meinrad Lienert: Ein zentrales Element und die wichtigste Neuerung aus Sicht der Geschäftsleitung ist das neue Beratungsgremium. Es entstand zusammen mit dieser neuen Vereinbarung. Es ist das eigentliche, operative Gremium der Kooperation zwischen Geschäftsleitung und Ärzteverein. 15 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verein Ärztekollegium

Remo Koller: Der ehemalige Präsident des Verwaltungsrates, Herr Hannes Wittwer, hat die Neugestaltung der Vereinbarung unterstützt. Er war es, der darin die Chance erkannt hat, dass bereits durch die Zusammenarbeit an diesem Übereinkommen gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden wird. Auch den Kontakt zum Stiftungsrat haben wir intensiviert. Heute ist die Ärzteschaft sowohl im Verwaltungs- wie auch im Stiftungsrat vertreten. Damit sichern wir den Informationsfluss. Das Beratungsgremium und der enge Austausch mit der Geschäftsleitung sind für unseren Alltag entscheidend. Nun benötigen alle Involvierten noch etwas Routine. Ein wichtiger erster Schritt. Meinrad Lienert: Ja. Wir sind froh, dass wir einen direkten Austausch mit dem Vorstand des Ärztevereins schaffen konnten – und zwar institutionalisiert. Die Lindenhofgruppe ist in erster Linie ein grosses Belegarztspital. Das verlangt, dass wir mit einer hohen Anzahl freiberuflicher Ärztinnen und Ärzte strukturiert kommunizieren können. Das Beratungsgremium ermöglicht es uns, auf kurzen Wegen jene Dinge und Themen zu besprechen, die uns gemeinsam betreffen. Diese Art Austausch hat vorher auch stattgefunden, aber weniger strukturiert. Das ist ein grosser Vorteil. «Das Beratungsgremium ermöglicht es uns, auf kurzen Wegen jene Dinge und Themen zu besprechen, die uns gemeinsam betreffen.» Die Neuauflage der Vereinbarung ist seit Mai 2022 in Kraft und ein grosser Erfolg für Sie als Präsidenten. Wie ist das bei der Mitgliederbasis angekommen, wie bei der Geschäftsleitung Lindenhofgruppe? Remo Koller: Ich sehe das als grossen Erfolg für den Ärzteverein und seine Mitglieder, nicht für mich als Präsidenten. Der Vereinsvorstand hat dieses Projekt getragen und vorangetrieben. Letztlich hat er die Vereinbarung, ge- meinsam mit dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung, zur Finalisierung gebracht. Die Mitgliederbasis des Vereins ist über das Ergebnis der neuen Vereinbarung informiert. Ebenso über das Beratungsgremium und den regelmässigen Austausch mit der Geschäftsleitung der Lindenhofgruppe. Das bringt Ruhe: Wir haben in den Treffen eine Traktandenliste und definierte Abläufe. Das ist vielen Ärztinnen und Ärzten wichtig und stärkt die Stellung des Vereins und seiner Mitglieder innerhalb der Spitalgruppe. Die starke Kultur des Miteinanders innerhalb der Spitalgruppe und die private Trägerschaft der Stiftung Lindenhof Bern bilden unser Fundament. Diese einzigartigen Vorteile konnten wir positiv für ein gemeinsames Ziel nutzen. Meinrad Lienert: Auch die Geschäftsleitung sieht viele Vorteile im Aufbau der Vereinbarung und dem strukturierten Miteinander. Es hilft, wenn Austausch und Kommunikation auf beiden Seiten über definierte Personen stattfinden. Das schafft echten Mehrwert für alle Beteiligten. Dazu zählt auch, dass der Chief Medical Officer immer an den Vorstandssitzungen des Vereins teilnimmt. Es ist nun ein wirklich offener Austausch auf Augenhöhe entstanden. Welchen Mehrwert hat diese Vereinbarung für die Beleg- und die Spital-Fachärztinnen und -Fachärzte? Meinrad Lienert: Neben den bereits erwähnten Vorteilen ist eine weitere Neuerung, dass nun auch die SpitalFachärztinnen und -Fachärzte Teil der Vereinbarung sind. Sie sind anerkannte und unverzichtbare Partnerinnen und Partner für einen erfolgreichen Spitalbetrieb. Sie haben sowohl im Vereinsvorstand wie auch im Beratungsgremium ihren Platz. Die Vereinbarung weist damit im Grunde das Zusammenwachsen von Beleg- und Spital-Fachärztinnen und -Fachärzten über die vergangenen Jahre aus. 16 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verein Ärztekollegium

Eine Neuerung ist der Sitz des Vereinspräsidenten im Stiftungsrat der Stiftung Lindenhof Bern – der Eigentümerin der Lindenhofgruppe. Welche Erfahrungen haben Sie aus den Stiftungsratssitzungen mitgenommen? Remo Koller: Das ist für mich äusserst interessant. Denn aus meiner Perspektive geht es weniger um den Alltag in den Spitälern als um die lange Sicht. Ich empfinde es als wertvoll, dass der gegenseitige Austausch die Perspektive auf beiden Seiten erweitert. Sie fördert das Bewusstsein, dass Ärztinnen und Ärzte die Lindenhofgruppe zu einem wesentlichen Teil tragen und auch, dass die Stiftung Lindenhof Bern für ein Umfeld besorgt ist, in dem die Ärzteschaft ihrer Profession nachgehen kann. Wir fokussieren uns auf das Wohl unserer Patientinnen und Patienten. Es ist für uns zentral, ihre qualitativ hochwertige Versorgung zu sichern. Durch den Einsitz im Stiftungsrat sind Ärztinnen und Ärzte nun direkt dort vertreten, wo genau dieses Anliegen als Stiftungszweck verankert ist. Wir haben nun die Grundlage für Verständnis geschaffen, können andere Sichtweisen besser verstehen und Entscheide besser nachvollziehen. Das ist die Basis, um Entscheide auch mitzutragen. Meinrad Lienert: An verschiedene Aufgaben und Gremien sind auch verschiedene Sichtweisen und Interessen geknüpft. Das liegt in der Natur der Sache. Die Kunst liegt darin, konstruktiv und strukturiert damit umzugehen und passende Lösungen zu finden. Die neue Vereinbarung ermöglicht dies durch mehr Nähe und höhere Transparenz. Wie setzt sich das Beratungsgremium zusammen? Was hat sich nach den ersten Monaten dieser neuen Form der Zusammenarbeit verändert? Meinrad Lienert: Das Beratungsgremium setzt sich aus Mitgliedern des Vorstands des Ärztevereins, aus dem CEO und dem CMO der Lindenhofgruppe zusammen. Wir treffen uns in der Regel monatlich und behandeln aktuelle Themen aus dem Spitalalltag. Bislang hat dies gut funktioniert. Nach Entscheiden kommunizieren wir die gemeinsam erarbeiteten Lösungen. Das Sitzungsprotokoll geht auch an die Vorstandsmitglieder des Ärztevereins. Wichtig ist uns vor allen Dingen, dass wir die besprochenen Themen danach auch gemeinsam umsetzen. Dies ist nun gelebte Praxis. Remo Koller: Das ist richtig. Heute trägt die neue Vereinbarung mit ihren Konsequenzen sehr dazu bei, dass ein echtes Miteinander entsteht. Formulierungen wie «im gleichen Boot sitzen» oder «auf Augenhöhe» sind keine Floskeln mehr. Das ist ein grosser Schritt für die Zukunft der Zusammenarbeit, da es nun definierte Strukturen gibt. Wie gestalten sich die Erwartungen an die Zusammenarbeit des Vorstands des Ärztevereins und der Geschäftsleitung der Lindenhofgruppe? Meinrad Lienert: Die Geschäftsleitung hat im Beratungsgremium und als Gast im Vorstand des Ärztevereins konstante Ansprechpartner für alle Themen, die uns zentral betreffen. Wir stellen fest, dass dieser Zugang unkompliziert ist und bei Bedarf rasch erfolgen kann. Wir haben immer wieder Themen, die komplex und zeit- kritisch sind. Jetzt bestehen gleichbleibende Kanäle und konstante Ansprechpartnerinnen und -partner. Alle Beteiligten haben nun die Sicherheit, dass man Themen auch kurzfristig miteinander besprechen kann und dass es einen geregelten Ablauf dafür gibt. Remo Koller: Auch aus meiner Sicht funktioniert das sehr gut. Die Wege, um beispielsweise für ein dringendes Anliegen Gehör zu finden, sind klar. Durch die neue Vereinbarung können wir es auf offiziellen Wegen zeitnah einbringen und auch diskutieren. Das ist sehr wertvoll. Auch in diesem Bereich leben wir nun das Miteinander tatsächlich. «Durch die neue Vereinbarung können wir alle Anliegen auf offiziellen Wegen zeitnah einbringen und auch diskutieren.» 17 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verein Ärztekollegium

Remo Koller: Die ärztliche Vertretung im Beratungsgremium muss die Bodenhaftung behalten. Sie repräsentiert den Verein. Es ist mir deshalb wichtig, dass wir gut und regelmässig mit den Mitgliedern des Vereins kommunizieren. Die Spitalbranche steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen wie Tarifierung, Fachkräftemangel, Kostenkontrolle oder auch der Digitalisierung. Kann das Beratungsgremium bei diesen Themen unterstützen? Meinrad Lienert: Wir diskutieren diese Themen heute schon im Beratungsgremium. Aber diese Punkte gewinnen an Bedeutung. Komplexe Fragestellungen betreffen sowohl das Management wie auch die Ärzteschaft. Wir können sie nur gemeinsam bewältigen. Weil beispielsweise der Mangel an qualifizierten Fachpersonen nicht nur das Problem eines Spitals ist, sondern auch der Ärzteschaft. Somit kann auch die Antwort nur eine gemeinsame sein. Remo Koller: Auch bei unternehmerischen oder finanziellen Themen ist es wichtig, dass wir miteinander agieren. Das Beratungsgremium gewährleistet und stützt auch dies. Kann man hinter die Kulissen schauen, kann man auch die Sichtweisen des anderen besser nachvollziehen. Das fördert gleichermassen das gegenseitige Verständnis wie auch die gemeinsame Lösungsfindung. «Komplexe Fragestellungen betreffen sowohl das Management wie auch die Ärzteschaft. Wir können sie nur gemeinsam bewältigen.» Das Miteinander spielt eine wesentliche Rolle in der Lindenhofgruppe – nicht nur kommunikativ, sondern auch als gelebter Wert. Was bedeutet Miteinander für Sie? Meinrad Lienert: Im Kern geht es für mich um gegen- seitiges Vertrauen. Auch wenn wir in manchen Punkten verschiedene Interessen haben, sollten wir grundsätz- lich immer das gleiche Ziel vor Augen haben. Letztlich geht es um den Fortbestand der Organisation als Belegarztspital. Nur mit einer stabilen Organisation können wir die Versorgungssicherheit und die Behandlungsqualität sichern. Hier stehen alle in der Verantwortung. Remo Koller: Wichtig ist auch, dass wir einander wirklich zuhören und das Gehörte reflektieren. So kommen wir miteinander zu Lösungen, die dem Ziel dienen und die beide Seiten tragen. Und das soll eben auch gelten, wenn es schwierige Themen gibt, die wir behandeln müssen. Letzten Endes bedeutet das Miteinander, dass man sich gemeinsam um die Sache kümmert. Miteinander bedeutet, dass man Themen immer als Sache anschaut und nicht als persönliche Angelegenheit. Dass man zuhört, was der oder die andere sagt und es reflektiert. Das Thema des diesjährigen Geschäftsberichts ist Verantwortung. Was verbinden Sie mit diesem Begriff? Meinrad Lienert: Verantwortung beinhaltet für mich die Verpflichtung, dass wir das jeweils Notwendige und Richtige tun, damit die Dinge gut laufen. Wir müssen uns bei allen Differenzen immer wieder in Erinnerung rufen, für wen wir im Spital eigentlich arbeiten. Das sind unsere Patientinnen und Patienten. Remo Koller: Am Ende muss es der Patientin oder dem Patienten gut gehen. Es geht um dieses grosse Ganze, nicht um das Ego. Der Fokus liegt auf den Menschen. Die neue Vereinbarung unterstützt alle Parteien und Gremien dabei, dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Auch aus diesem Grund bin ich froh, dass die Stiftung Lindenhof Bern Eignerin der Lindenhofgruppe ist und mit ihrem Stiftungszweck den Spitalbetrieb, die Aus- und Weiterbildung und Lehre und Forschung fördert. Auch damit stellt die Lindenhofgruppe den Menschen ins Zentrum. 18 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Vorwort Verein Ärztekollegium

Das Onkologiezentrum Bern und die von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Organzentren vereinen hochspezialisiertes Wissen an einem Ort. Im Jahr 2022 hat die Radio-Onkologie der Lindenhofgruppe ihr Leistungsangebot verstärkt. Seit April hat sie neue Geräte zur Tiefenhyperthermie in Betrieb genommen. Seit Oktober 2020 ist Frau Dr. med. Ruth Gräter mit der ärztlichen Leitung der Radio-Onkologie beauftragt und seit 2022 leitet Dr. sc. nat. Carlos Calle die Medizinphysik. Ein Gespräch mit der Fachärztin für Radio-Onkologie und dem Medizin-Physiker (SGSMP) über Weitblick, Eigenverantwortung und wirtschaftliches Gespür. «Das interdisziplinäre Miteinander ist für uns gelebte Praxis.» Radio-Onkologie Dr. med. Ruth Gräter, Ärztliche Leiterin Radio-Onkologie, und Dr. sc. nat. Carlos Calle, Leiter Medizinphysik 19 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe

Was bedeutet Innovation im Bereich Radio-Onkologie? Ruth Gräter: Innovation bedeutet in der Radio-Onkologie etwas anderes als zum Beispiel in der Industrie. Der Begriff steht bei uns für die vorausschauende Suche nach Neuerungen und Entwicklungen. Dies bezieht immer sozial- und gesundheitspolitische, ökonomische, technische und fachbezogene Aspekte mit ein. Unter Abwägung der Risiken finden wir so Produkte, die unseren und den Bedürfnissen der Radio-Onkologie der Lindenhofgruppe entsprechen. Carlos Calle: Gewisse Bereiche der Radio-Onkologie sind stark forschungs- oder industriegetrieben. Häufig entstehen dabei Entwicklungen, die für kleinere und mittlere Spitäler weniger geeignet sind. Aus der Breite an Innovationen und Entwicklungen gilt es somit jene Lösungen herauszufiltern, die für uns und für unsere Patientinnen und Patienten sinnvoll sind. Das heisst, die einen Mehrwert generieren wie zum Beispiel genauere und bessere Behandlungen. Was ist das Besondere an der Thermografie- gesteuerten Oberflächen-Hyperthermie? Ruth Gräter: Die Oberflächen-Hyperthermie hat man schon in den 1960er Jahren klinisch angewendet. In der Lindenhofgruppe verwenden wir seit 2015 eine thermografisch gesteuerte wassergefilterte Infrarot- A-Strahlung, kurz wIRA. Das Gerät wurde neu entwickelt und als eines der Ersten auf dem Markt hier installiert und klinisch genutzt. Carlos Calle: Die Betonung liegt auf der Thermografie- gesteuerten Oberflächen-Hyperthermie, denn besonders die interaktive Temperaturmessung ist von Bedeutung. Wir können die zu erwärmende Fläche mit Infrarotkameras aus verschiedenen Winkeln messen. So können wir jenen Stellen die Wärme zuleiten, die sie benötigen. Das ist der entscheidende Punkt. Ruth Gräter: Sobald die entsprechende Wärme über eine definierte Zeit erreicht ist, können wir die radioonkologische Therapie durchführen. Mit geringerer Strahlendosis und damit auch mit einer weniger hohen Belastung der Betroffenen und der gesunden Gewebe rund um den Tumor. Durch die niedrigere Strahlendosis in Kombination mit Wärme können wir solche Bestrahlungen häufiger durchführen. Das ist der wirkliche Fortschritt – besonders für Patientinnen und Patienten, die schon einmal bestrahlt wurden. «Für mich geht es in erster Linie um die Frage, wie wir Innovation in unsere Abteilung und damit auch zu unseren Patientinnen und Patienten bringen.» Wie interpretiert die Leitung der Radio-Onkologie das Thema Innovation? Carlos Calle: Für mich geht es in erster Linie um die Frage, wie wir Innovation in unsere Abteilung und damit auch zu unseren Patientinnen und Patienten bringen. Es ist nicht damit getan, ein neues Gerät zu kaufen. Es gilt, sie in unser Team, in unsere Prozesse und Work-Flows einzubetten. Denn letztlich müssen unsere Mitarbeitenden damit umgehen. Sie müssen Neuerungen annehmen und mit einer schnellen Lernkurve zum Einsatz bringen. Dabei müssen wir auch bedenken, dass wir trotz knapper Ressourcen innovativ sein möchten. Auch deshalb ist es unsere Aufgabe, die richtigen Lösungen auszuwählen. Denn wir möchten unseren Patientinnen und Patienten die Vorteile und den Mehrwert möglichst rasch und in hoher Qualität zugänglich machen. Ruth Gräter: Das ist die Seite der fachbezogenen Innovation. Die andere beinhaltet, dass wir uns aus grossem Interesse über ökonomische und gesundheitspolitische Themen weitergebildet haben. So können wir gemeinsam besser über den Tellerrand hinausschauen. Wir betrachten unser Umfeld und die Entwicklungen darin sehr offen. Technologisch, onkologisch, sicher auch im Grenzbereich zur Bio-Technologie und des Bio- Engineerings, aber auch in Bezug auf unseren konkreten Einzugsbereich und Markt. Auch das ist Innovation für uns. 20 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Radio-Onkologie

Wie trägt Ihr Team dazu bei? Ruth Gräter: Unser Team trägt proaktiv dazu bei, dass wir Innovationen nutzen und uns weiterentwickeln, denn auch das Team lebt in einem dynamischen Umfeld. Der Anspruch, Teil eines innovativen Gesamtkonzepts zu sein, ist im Team fest verankert. Das spüren wir auch im Wettbewerb um Ressourcen. Fachlich hochqualifizierte Mitarbeitende sind rar und Stellensuchende können ganz genau hinschauen. Auch sie haben im Hinblick auf Innovationen konkrete Vorstellungen und Wünsche. Carlos Calle: Ja, das stimmt. Bewerberinnen und Bewerber, aber auch die bestehenden Mitarbeitenden, fragen explizit nach innovativen Behandlungskonzepten an modernen Geräten, wenn wir uns mit ihnen austauschen. Wie wird sich die Krebstumor-Therapie in Zukunft wandeln? Ruth Gräter: Sie wandelt sich stetig. Bis vor wenigen Jahren gab es Konzepte in der onkologischen Therapie, die entweder operativ, medikamentös oder radio-therapeutisch ausgerichtet waren. Heute ist die Kombination von alledem Standard. Und zwar zeitgleich, nicht aufeinander folgend. Zeitgleich erfolgen beispielsweise kombinierte Radio-Chemotherapien vor einer geplanten Operation. Aber die Entwicklung geht weiter. Die Immun-Therapie ist dazugekommen und Zell-Therapien wie die Car-T-Zelltherapie oder die Stammzellentherapie. Vieles deutet darauf hin, dass die Behandlungskonzepte immer personalisierter, immer individualisierter werden. Das macht jedes vorhandene Therapiemodul beliebig einsetzbar, wobei die «richtigen» Sequenzen und Kombinationen ständig erforscht werden. Die Kombination aus oben genannten Wissenschaften wird auch die Anwendung der Radio-Onkologie in der Zukunft noch komplexer beeinflussen. Carlos Calle: Damit einher gehen aber auch deutlich höhere Kosten, besonders bei den wenigen bisher zugelassenen Zell-Therapien. Ob sie einem breiteren Markt zugänglich gemacht werden können, wird sich erst in Zukunft erweisen. Günstig wird eine solche Therapie aber vermutlich nicht. Ruth Gräter: Im Gegensatz dazu ist die Radio-Therapie vergleichsweise günstig. Wie wirksam diese Therapieform ist, bestimmt die Dosis, die auf definierte Regionen einwirkt. Können wir hohe Dosen einstrahlen, sind die meisten Tumore zerstörbar. Aber die Forschung wir sicher verschiedene Wege weiterentwickeln. Deren Kombination bietet dann wieder einen möglichen Gewinn für unsere Patientinnen und Patienten. «Ich bin überzeugt, dass der Stellenwert der Hyperthermie für solide Tumore noch nicht ausgereizt ist.» Was ist der Unterschied zwischen der Tiefen- und der Oberflächen-Hyperthermie? Ruth Gräter: Vereinfacht dargestellt strahlen wir bei der Oberflächen-Hyperthermie Rotlicht auf Hautareale. Damit überwärmen wir einen oberflächlich gelegenen Tumor und die Region darum. Danach führen wir die Patientinnen und Patienten der eigentlichen Bestrahlung zu. Mit der Tiefen-Hyperthermie ist es uns möglich, tieferliegende Regionen im Körper zu überwärmen. Gynäkologische Tumore zum Beispiel, also des Eierstocks, der Gebärmutter, des Gebärmutterhalses, der Scheide oder der äusseren Geschlechtsorgane. Aber auch urologische und gastrointestinale Tumore wie des Harntraktes, der männlichen Geschlechtsorgane, der Speiseröhre, des Magens, des Darms, der Leber, der Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse. Beide Hyperthermieverfahren sind im Grunde eine Vorbereitung des bösartigen Gewebes für eine Bestrahlung oder eine folgende Chemotherapie. Beide Methoden ermöglichen, nach der Erwärmung der Tumorregion, mit geringeren Strahlendosen therapieren zu können. Ich bin überzeugt, dass der Stellenwert der Hyperthermie für solide Tumore noch nicht ausgereizt ist. Da wird es noch Entwicklungen geben. Carlos Calle: In der Schweiz interessieren sich immer mehr Spezialistinnen und Spezialisten für diese Techniken. Aber die Einführung und der Betrieb sind sehr aufwendig im Hinblick auf Gerätetechnik und Ressourcen. Wir müssen langsam anfangen, die definierten Zonen zu erwärmen. 21 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Radio-Onkologie

Das braucht Zeit und hochqualifizierte Fachmitarbeitende. Sie sollten zudem gewohnt sein, Patientinnen und Patienten mit grossen Geräten zu behandeln. Ruth Gräter: Hinzu kommt, dass momentan, bei weltweit geringen Gerätestandorten, nur wenige Studien einen Neuaufbau der Methode stützen. Es wird sicher noch einige Jahre dauern, bis eine gute Grundlage durch ein grösseres Studiennetzwerk vorhanden ist. Was sind die Vorteile für die Patienten bei diesen beiden Therapieformen? Carlos Calle: Ein unschätzbarer Vorteil ist, dass wir bereits vorbestrahlte Körperregionen nochmals behandeln können. Vor allem, weil wir mit einer geringeren Strahlendosis arbeiten können. Das wäre ohne die Hyperthermie nicht möglich und hilft, eine fortgeschrittene Krankheit besser zu kontrollieren. Ruth Gräter: In der Regel sind das wenige und damit für Patientinnen und Patienten gut verträgliche Sitzungen. Wir sprechen hier von Therapien, die nur wenige Wochen oder einige Tage in Anspruch nehmen. «Die Kombination der MR-Technologie und der LinearbeschleunigerTechnologie in einem Gerät ist wirklich echte Innovation.» Herr Dr. sc. nat. Calle und Frau Dr. med. Gräter im beruflichen Miteinander in der Radio-Onkologie der Lindenhofgruppe 22 Geschäftsbericht 2022 Lindenhofgruppe Radio-Onkologie

RkJQdWJsaXNoZXIy MzQxOTE=