Interview
mit Daniela Baumann

«Der Ruedi ist weg.»

Frau Baumann, erzählen Sie uns Ihre Geschichte? Wie kam es zur Diagnose und wie ging es danach für Sie weiter?

Daniela Baumann: «Ende Oktober 2015 war es eher ein Zufallsbefund während einer Routineuntersuchung bei meiner Gynäkologin. Man vermutete ein Fibroadenom. Sicherheitshalber überwies mich meine Ärztin zu einer Brustspezialistin, die eine Biopsie machte. Die Diagnose lautete Brustkrebs Grad 3, mit hoher Proliferationsfraktion, einer HER2-Überexpression in Kombination mit Östrogen-Rezeptoren. Ein Mammakarzinom also, mit aggressivem Charakter. Zum Glück war der Tumor aber noch klein. Innerhalb von einer Woche wurde ich im Lindenhofspital operiert. Das Beste, was mir in dem ganzen Prozess passieren konnte, war meine Onkologin, Frau Doktor Baumann – wir sind übrigens weder verwandt noch verschwägert. Sie hat mir sehr viele gute, ehrliche Inputs gegeben und mich fachlich ausgezeichnet beraten. Sie hat aus mir auch eine kompetente Patientin gemacht und ich konnte den Therapieweg so gut wie möglich mitbestimmen – ein Anker in einer Situation, in der man die Kontrolle verloren zu haben scheint. Nach der Operation begann ich mit einer adjuvanten 12-wöchigen Chemotherapie und der Immuntherapie, die ein Jahr dauerte. Nach der Chemo folgten 6,5 Wochen Bestrahlung. Im Anschluss daran noch die 5-jährige Antihormontherapie. Ende April 2021, also vor einem halben Jahr, durfte ich die Therapie abschliessen. In dieser Zeit habe ich viel über mich und das Leben gelernt.»

Wie sind Sie persönlich mit Ihrer Situation umgegangen?

D.B.: «Ich habe meinem Tumor einen Namen gegeben: «Ruedi». So konnte ich besser über den Krebs sprechen. Ich habe den Krebs nie beschimpft oder verteufelt. Ich wollte meine Energie nicht verschwenden, sondern in etwas Positives für das Leben stecken. Ich sagte mir: «So, Ruedi, ich bin nett zu Dir. Dann sei Du jetzt auch nett zu mir.» Nett war aber vor allem das Betreuungsteam im Spital. Die Menschen haben sich mit Hingabe um mich gekümmert. Sie haben mich durch diese Zeit getragen. Wir haben auch viel miteinander gelacht. Ich kam immer gerne. Ich fühlte mich in der ganzen Zeit nie als Nummer. Ich wurde als Mensch begrüsst und behandelt. Das ist die grosse Stärke des Lindenhofspitals. Das Betreuungsteam hat zum Beispiel schnell mitbekommen, dass mein Mammakarzinom «Ruedi» heisst. Sie haben das dann gleich übernommen. Nach der Operation hiess es nur: «Frau Baumann, der «Ruedi» ist weg.»

Wie geht es Ihnen heute? Und was können Sie anderen Patientinnen mit auf den Weg geben?

D.B.: «Die Narben bleiben, aber das sehr schöne Ergebnis der brusterhaltenden Operation ist ein Geschenk – und half auch dabei, den Körper auf dem Weg des Gesundwerdens anzunehmen und zu lieben. Während der Chemotherapie habe ich eine Eis-Haube getragen, so habe ich meine Kopfhaare nie ganz verloren. Den Verlust von Augenbrauen, Wimpern oder auftretende Hautprobleme konnte ich mit Make-up kaschieren – mir war es wichtig, möglichst gesund auszusehen, wenn ich unter Menschen ging und zur Arbeit. Ich wollte nicht stigmatisiert werden. Auch zu diesen Themen wurde ich im Spital sehr gut beraten. Ich hätte mich gerne mehr mit von Brustkrebs betroffenen Menschen in meinem Alter ausgetauscht. Doch die meisten Patientinnen sind deutlich älter. Auch die Perückenauswahl und die Prospekte waren zu dieser Zeit eher auf ein älteres Publikum abgestimmt. Ich fühlte mich dadurch nicht wirklich angesprochen. Sehr gute Erfahrung hatte ich damit gemacht, offen über meine Krankheit zu kommunizieren - auch an meiner Arbeitsstelle. Vielleicht wollte ich dadurch auch die Kontrolle behalten, wann, wen und wie ich informiere – und zum Beispiel Gerüchte und Spekulationen über mein Wohlergehen zu vermeiden. Vor allem war es für mich aber ein wichtiger Teil des Prozesses, meine Erkrankung anzunehmen. Schlussendlich denke ich, dass jede Patientin und jeder Patient herausfinden muss, was für sie und ihn in dieser Zeit wichtig und richtig ist – und man den eigenen Weg gehen soll und darf.»

Wie hat sich Ihr Leben verändert?

D.B.: «Ich musste diesen Weg gehen – natürlich hätte ich mir diesen nie freiwillig ausgewählt. Trotzdem, rückblickend bin ich dankbar für alles, was ich in dieser Zeit erlebt und gelernt habe. Mein Leben ist jetzt ein anderes – einiges musste ich loslassen oder habe ich verloren. Ich habe aber auch viel gewonnen. Mein Blick aufs Leben hat sich verändert, ich bin insgesamt gelassener, achtsamer. Ich investiere meine Zeit in Menschen und Dinge, die mir wichtig sind und die mich glücklich machen. Negativem entziehe ich mich einfacher oder lasse auch mal Menschen liebevoll los, die mir nicht guttun. Ich nehme mir mehr Zeit für mich, bin aber auch spontaner und geniesse die Augenblicke mit meinen Lieben. Und ich möchte mit meinem offenen Umgang mit der Erkrankung auch anderen Mut machen und einen Beitrag leisten.»

Unsere Fragen an die Breast Care Nurse Tania Stiefel

Tania Stiefel ist diplomierte Pflegefachfrau mit Berufserfahrung und Zusatzausbildung. Als Breast Care Nurse ist sie Teil des Behandlungsteams im Brustzentrum Bern. In ihrer Funktion berät, unterstützt und begleitet sie Patientinnen mit Brustkrebs sowie deren Nahestehende - fachlich und emotional. Frau Stiefel arbeitet dabei eng mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten zusammen. Patientinnen können bereits vor Spitaleintritt mit der Breast Care Nurse Kontakt aufnehmen. .

Frau Stiefel, warum haben Sie sich für die Spezialisierung zur Breast Care Nurse entschieden?

Tania Stiefel: «Ich finde es schön, den Patientinnen und ihren Nahestehenden während des ganzen Krankheits- und Therapieverlaufs zur Seite zu stehen. Sich in einem Gebiet durch fundierte Weiterbildung zu spezialisieren und dadurch die Patientinnen unterstützen zu können, ist befriedigend. Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich. In meiner Funktion führe ich Gespräche mit Patientinnen und Nahestehenden, führe Prothesenanpassungen nach der Operation durch, nehme an interprofessionellen Gremien teil und beteilige mich am Support und der Weiterbildung von Pflegenden.»

Wie wichtig ist die Beziehung zu Ihren Patientinnen und deren Nahestehenden für Ihre Beratungen?

T.S.: «Durch eine gute Beziehung und gegenseitiges Vertrauen können sich die Patientinnen und Angehörigen mir gegenüber öffnen. So gelingt es, konkret auf ihre Bedürfnisse und Anliegen einzugehen und sie individuell zu beraten. Es ist mir wichtig, dass in den Beratungen auch intime und persönliche Themen angesprochen werden können. Dafür ist eine gute Beziehung essentiell.»

Spielt die berufliche oder private Situation Ihrer Patientin jeweils eine Rolle in der Gestaltung Ihrer Begleitung?

T.S.: «Ja, oft. Beispielsweise kann es für Kinder sehr schwierig sein, wenn das Mami an Krebs erkrankt. Dort können Bilderbücher helfen, den Kindern zu erklären, was passiert. Auch Partner sind durch eine Krebserkrankung mitbetroffen und belastet. Es ist mir wichtig, die Situation der Patientinnen ganzheitlich zu erfassen, um sie umfassend begleiten zu können. Sowohl die berufliche als auch die private Situation machen einen grossen Teil der psychosozialen Gesundheit aus. Unterstützung und Begleitung der Patientinnen in diesem Bereich beeinflusst somit auch den Krankheits- und Therapieverlauf positiv.»

Was hat es eigentlich mit der Eis-Haube auf sich, von der Frau Baumann berichtet? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

T.S.: «Es gibt gewisse Chemotherapien, bei denen das Anlegen einer Eis-Haube dazu verwendet werden kann, den Haarausfall zu minimieren oder gar zu verhindern. Der Haarverlust als Nebenwirkung der Chemotherapie wird von den Patientinnen oft als sehr belastend erlebt. Der Einsatz der Eis-Haube kann daher unter gewissen Umständen eine gute Option sein.»

Miteinander gegen Brustkrebs ist keine Floskel, sondern Grundlage unseres Handelns in der Begleitung und Therapie unserer Patientinnen und ihrer Nahestehenden.
Miteinander gegen Brustkrebs ist keine Floskel, sondern Grundlage unseres Handelns in der Begleitung und Therapie unserer Patientinnen und ihrer Nahestehenden.

Brustkrebsmonat Oktober

Die «Rosa Schleife» wurde erstmals im Herbst 1991 von einer US-amerikanischen Stiftung eingesetzt. Inzwischen hat sie sich zu einem internationalen Symbol entwickelt. Wer sie trägt, demonstriert Solidarität mit von Brustkrebs Betroffenen. Mit einer Gesundheits­kampagne macht auch die Lindenhofgruppe verstärkt auf das Thema Brustkrebs aufmerksam.

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