«Der Austausch mit anderen Patienten ist sehr wertvoll.»

Für die meisten Patienten sind die Begriffe «schwer krank» und «grosse Operation» gleichbedeutend mit Schmerzen und einem langen Aufenthalt im Spital. Umso überraschter sind sie, wenn sie hören, dass andere Patienten schon wenige Tage nach der Operation ihr Bett verlassen haben. Ein Gespräch mit Dr. med. Silvan Boxler, Facharzt Urologie, Blasen-, Nieren- und Prostatakrankheiten, Prostatazentrum Bern.

Was sind die Vorteile von minimalinvasiv-endoskopischen Verfahren für die Patienten?
Dr. med. S. Boxler:
Der Hauptvorteil liegt darin, dass die Patienten schneller auf den Beinen sind. Denn je länger sie im Bett liegen, desto höher ist auch das Risiko von Komplikationen. Nach der Operation benötigen die Patienten deutlich weniger Schmerzmittel, sind schneller wieder zu Hause und in ihrem normalen Arbeitsalltag zurück. Der entscheidende Erfolgsfaktor dabei ist und bleibt aber die oder der Operierende. Auch die fortschrittlichste Technik kann Erfahrung nicht ersetzen. Wir operieren nahezu täglich mit dieser Technik. Die Patienten sind oft überrascht, wie wenig sie von dem Eingriff wahrnehmen. Einige haben uns gefragt, was wir denn gemacht hätten. Da sei zwar ein Pflaster, aber nichts zu spüren. 

Verändert das auch die Wahrnehmung der Krankheit?
Dr. med. S. Boxler:
Häufig empfinden die Patienten die Vorstellung einer roboterassistierten Operation als präziser und schonender. Das spielt im Kopf eine grosse Rolle. Es vermittelt ihnen ein Gefühl von Fortschritt und Sicherheit. Somit erleben sie auch die Erkrankung als weniger bedrohlich. Das Angebot und der Zugang zu diesen modernen Hilfsmitteln steigern das Vertrauen in die Medizin und den behandelnden Arzt. Nach einem minimalinvasiven Eingriff ist den Betroffenen häufig nicht bewusst, was für eine schwerwiegende Erkrankung sie eigentlich hatten. Denn für sie sind die Begriffe «schwer krank» und «grosse Operation» gleichbedeutend mit vielen Schmerzen und einem langen Aufenthalt im Spital. Aber es ist auch wichtig und unsere Aufgabe, die Situation und Erkrankung nicht zu verharmlosen. Die Patienten müssen realisieren, um was es geht. 

Welche Vorteile bietet die kontinuierliche Betreuung der Lindenhofgruppe?
Dr. med. S. Boxler:
Die kontinuierliche Betreuung des Patienten durch den Belegarzt seiner Wahl schafft Vertrauen und Sicherheit. Er muss sich nicht auf ständig neue Ansprechpartner einstellen und seine Geschichte nochmals erzählen. Die Koordination zwischen Urologie und weiteren Disziplinen ist deutlich erleichtert. Insgesamt erleben die Patienten durch die Kontinuität deutlich weniger Stress. Wenn andere Fachdisziplinen zu einem Fall hinzugezogen werden müssen, stehen Ärztinnen und Ärzte mit einer sehr hohen Expertise und hohen Fallzahlen aus allen Bereichen zur Verfügung. Insgesamt können wir so für normale Verläufe, aber auch für aussergewöhnliche oder komplexe Fälle eine sehr hohe Behandlungsqualität anbieten. 

Welche Rolle spielt ein starkes Netzwerk bei der Behandlung von Prostatakrebs?
Dr. med. S. Boxler:
Insbesondere bei Krebserkrankungen ist ein interdisziplinäres Netzwerk sehr wichtig. Wir bieten als zertifiziertes Tumorzentrum ein Netzwerk mit allen Fachspezialisten an – von der Diagnostik über die Therapie bis zur Nachsorge. Bei Krebs reden wir von einer potenziell lebensbedrohlichen Krankheit. Das sind prägende Erlebnisse, die für die Patienten mit dem Gefühl von Ohnmacht einhergehen können. Für sie ist es extrem erleichternd, in ein Netzwerk hineinzukommen, in dem die Kommunikation stimmt und klar ist, wer sie bei jedem weiteren Schritt betreut. Der Patient bleibt somit immer in bekannten Strukturen. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte kennen sich untereinander und teilen die gleiche Philosophie. Dadurch entstehen grosser Nutzen und hohe Sicherheit für die Patienten.

«Hier sehen wir die Patienten als Menschen und nicht als eine Nummer auf einer Liste.»


Das bringt auch Ruhe in den Prozess?
Dr. med. S. Boxler:
Absolut, die Patienten können sich mit einem guten Gefühl auf den Therapie-Pfad begeben und Verantwortung abgeben. Auch dass alle behandelnden Ärztinnen und Ärzte am gleichen Konzept festhalten, bringt Ruhe mit sich. Mit der Zeit kennt man den Patienten, kennt seine Familie. Man weiss, wie man kommunizieren muss, damit die Informationen die Menschen erreichen. Jeder Patient ist ein anderer Mensch. Dinge können sich auch im Laufe einer Behandlung ändern, je nachdem, in welche Richtung sie geht. Unsere Struktur ermöglicht es, auf diese Veränderungen einzugehen. Der Patient soll sich gut aufgehoben fühlen und das sichere Gefühl haben, die bestmögliche Behandlung zu erhalten. Hier sehen wir die Patienten als Menschen und nicht als eine Nummer auf einer Liste. 

Wie wirkt sich das auf die Qualität der Behandlung aus?
Dr. med. S. Boxler:
Wir sind für den Patienten fassbar und nahbar. Es entstehen persönliche Beziehungen. Wir können den Menschen die Zeit widmen, die sie benötigen. Denn alle am Behandlungsprozess Beteiligten müssen nicht immer wieder aufs Neue versuchen, die Bedürfnisse des Patienten zu verstehen. Dadurch bleibt Zeit für andere Themen, in der die Betroffenen auch persönliche Dinge teilen können. Man spricht über beliebte Ferienziele, über das Campen oder andere persönliche Dinge. Das sind wertvolle Momente. 

Wie gehen Sie persönlich mit Belastungen um?
Dr. med. S. Boxler:
Das ist ein Geben und ein Nehmen. Zum Glück können wir vielen unserer Patienten helfen und viele auch heilen. Der Rest ist ein Lernprozess. Zu diesem Prozess gehört auch die Erfahrung, nicht alle Patienten heilen zu können. Begleiten kann ich sie trotzdem. Von diesen Menschen und ihrem Umfeld erlebe ich sehr viel Dankbarkeit. Besonders, wenn ich offen und ehrlich mit ihnen kommuniziere. 

Kann sich auch der Kontakt zwischen betroffenen Patientinnen und Patienten positiv auswirken?
Dr. med. S. Boxler:
Wir gehören zu den grössten Zentren der Schweiz mit sehr hohen Fallzahlen. Durch die Reichweite des Prostatazentrums kennen viele jemanden, der bei uns in Behandlung war. Erzählt zum Beispiel ein Patient einem Bekannten, dass er sich einer Operation der Prostata oder der Blase unterziehen musste, reagieren die meisten betroffen. Begegnet dieser Patient seinem Gesprächspartner dann bereits nach einer Woche im Dorf, fragen die meisten, ob etwas dazwischengekommen sei. Wenn sie dann hören, dass die Operation tipptopp verlaufen ist, hat das einen sehr positiven Einfluss und nimmt Angst. Bei einigen grösseren Operationen vermitteln wir auch Kontakte zu anderen Patientinnen und Patienten. Diese Personen stehen zwar nicht am gleichen Punkt wie die Patienten, die Kontakt suchen. Aber dennoch ist der Austausch mit anderen Patienten sehr wertvoll. Es motiviert, zu sehen, dass jemand den Pfad der Behandlung bereits gegangen ist und es ihm gut geht.

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