«Nichts ist bei der Behandlung von Krebs wichtiger als die persönliche Betreuung.»

Die Bevölkerung nimmt Krebs als höchst lebensbedrohlich wahr. Krebs ist jedoch längst kein Todesurteil mehr. Auch die Nebenwirkungen sind nicht mehr mit denen der Anfänge der Krebstherapie zu vergleichen. Ein Gespräch mit Prof. Dr. med. Markus Borner, Facharzt Medizinische Onkologie und Allgemeine Innere Medizin, Prostatazentrum Bern.

Welche Auswirkungen hat die DKG-Zertifizierung auf die Themen Behandlung und Therapie?
Prof. Dr. med. Borner:
Die Zertifizierung hilft, organisatorische Abläufe festzulegen und zu überprüfen. Für eine gute Behandlung braucht es dieses Tool im Idealfall jedoch nicht. Und diesen Idealfall haben wir in der Lindenhofgruppe: Wir sind alle sehr erfahrene, verantwortungsbewusste und kompetente Fachärztinnen und -ärzte. 

Was genau ist Ihre Aufgabe als medizinischer Onkologe?
Prof. Dr. med. Borner:
Ärztinnen und Ärzte der medizinischen Onkologie sind so etwas wie die Hausärztinnen oder Hausärzte für Krebsbehandlung. Wir informieren die Patientinnen und Patienten über die Prognose und die Behandlungsmöglichkeiten und leiten die medikamentöse Behandlung. Wir sind aber auch in der Kommunikation mit den Betroffenen ausgebildet. Wir gehören zu den wenigen Spezialistinnen und Spezialisten, die während der Ausbildung einen Kommunikationskurs belegen müssen. Wenn die Patientinnen und Patienten neu mit der Diagnose Krebs konfrontiert werden, sind sie meist sehr verängstigt. Wichtig ist, dass diese anfängliche Schock- und Unsicherheitsphase von jemandem abgefangen wird. Jemandem, der kommunizieren kann und sich in allen Therapiemöglichkeiten auskennt. Deswegen ist es für die Lebens- und Behandlungsqualität der Betroffenen entscheidend, dass sie schon zu Beginn ihrer Krankheit von einer Onkologin oder einem Onkologen betreut werden. 

Können Sie ein konkretes Beispiel geben?
Prof. Dr. med. Borner:
Heute habe ich im Tumorboard einen Patienten mit einem sehr aggressiven Prostatakarzinom vorgestellt. Nach der Diagnose hatten wir ihn mit einer Hormontherapie behandelt. Erst jetzt, nach sieben Jahren, hat sich der Krebs wieder langsam zurückgemeldet. Ein weniger erfahrener Kollege hätte dem Patienten schon zu Beginn wegen der Aggressivität des Krebses grosse Angst gemacht. Aber zum Glück kann man nie voraussagen, wie der Verlauf einer Krankheit sein wird. Krebs ist längst kein Todesurteil mehr. Es stehen heute sehr wirksame und effiziente Therapien zur Verfügung. Auch die Nebenwirkungen sind nicht mehr mit denen der Anfänge der Krebstherapie zu vergleichen.

«Empathie ist sehr wichtig, um Menschen zu erreichen.»


Was ist für Sie das entscheidende Differenzierungsmerkmal des Prostatazentrums der Lindenhofgruppe?
Prof. Dr. med. Borner:
Gute Ärztinnen und Ärzte. Und das Persönliche. Die Menschen kommen wegen der persönlichen Betreuung zu uns. Ich war vorher in anderen Spitälern in leitender Position tätig. Aber ich habe nirgends motiviertere Ärztinnen und Ärzte erlebt als hier. Weil die Ärztinnen und Ärzte hier nicht als Angestellte, sondern eigenverantwortlich und selbstbestimmt handeln. Als Menschen, die gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten optimale Ergebnisse erzielen möchten und noch nicht von allzu vielen administrativen Hürden behindert werden. 

Gibt es Aspekte der medizinischen Onkologie, die Patientinnen und Patienten zur Lindenhofgruppe bringen?
Prof. Dr. med. Borner:
Die Patientinnen und Patienten wissen, dass sich eine Ärztin oder ein Arzt persönlich für sie einsetzt. Nichts ist bei der Behandlung von Krebs wichtiger als die persönliche Betreuung. Heute gibt es bei Prostatakrebs so gute Behandlungen, dass Patienten mehrere Jahre bis Jahrzehnte leben können. Diese Behandlungen verlangen jedoch höchste Fachkompetenz – auch in der Kommunikation. Denn die Patientinnen und Patienten stehen einer grossen Menge von Informationen gegenüber, die sie zu Beginn sehr verunsichern können. Ein Gespräch, das die Möglichkeiten einer Behandlung einordnet und sie fachgerecht vermittelt, ist ein wesentlicher Teil der Therapie. So entsteht Vertrauen aus Kompetenz. Empathie ist sehr wichtig, um Menschen zu erreichen. Aber erst durch Kompetenz wird sie zu einem hilfreichen Instrument der Behandlung. Dabei spielt auch das Netzwerk mit anderen Kolleginnen und Kollegen eine entscheidende Rolle. Ich bin zum Beispiel weit über die Lindenhofgruppe hinaus vernetzt, auch mit dem Inselspital und mit anderen führenden Kliniken der Schweiz. 

Was beschäftigt Patientinnen und Patienten am meisten bei der Behandlung?
Prof. Dr. med. Borner:
Die Bevölkerung nimmt Krebs als höchst lebensbedrohlich wahr. Aber es gibt weitaus bedrohlichere Erkrankungen, wie den Herzinfarkt, der in der Bevölkerung als weniger schlimm gilt. Auch die Angst vor Nebenwirkungen ist sehr gross. Chemotherapien verbinden die Betroffenen noch immer mit Haarausfall, Übelkeit und Erbrechen. Aber das ist längst nicht mehr der Fall. Heute haben wir Dutzende von Medikamenten, die auch nichts mehr mit der Chemotherapie von früher gemein haben. Auch in Hinsicht auf ihre Nebenwirkungen. Bei fachgerechtem Einsatz sind sie hochwirksam und sehr verträglich. Die Menschen kommen voller Angst zu uns, verunsichert durch die öffentliche Diskussion und durch irreführende Aussagen anderer Kollegen. Nach den ersten Gesprächen sind diese Menschen aber schon weitaus ruhiger. Sicher wäre es ihnen lieber, nicht erkrankt zu sein. Aber sie sehen Wege und Möglichkeiten, ihre Erkrankung anzunehmen und mit ihr umzugehen. Sie kommen sogar gerne zu uns. Denn hier sind sie nicht immer aufs Neue mit den Ängsten ihres Umfelds konfrontiert. Sie können sich voll auf die Behandlung konzentrieren und damit auf ihre Zukunft.

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